Sein eigenes Arbeitsmittel sein

Es kann vorkommen, dass ich mir in den Kopf setze, etwas umzusetzen oder dass ich mich in einer Situation befinde, in der ich selbständig bestimmten Aufgaben nachgehen muss. Wie gehe ich damit um? Setze ich mir feste Deadlines? Suche ich meinen Terminkalender – wie man das wohl vor der Erfindung der Zeit und portablen Uhren gemacht hat? – nach Zeiten ab, in denen ich plane für das Projekt zu arbeiten? So kann ich schnell dazu kommen, ganz schön viele Arbeitstermine zu planen. Evtl. muss nachher noch ein bisschen angepasst werden, aber im Grunde ist alles planbar, wenn ich das Projekt in die Kategorie Zeitaufwand einordnen kann. Einen Text für die Uni lesen. Wie viele Seiten? 20 Seiten. Gut, dann plane zwei Stunden ein. Wo kann ich sie unterbringen? Donnerstag ist noch Zeit… Letztlich fragt sich, was sich nicht in die Kategorie Zeitaufwand einteilen lässt? Soziale Kontakte pflegen? Kostet Zeit. Sport machen auch. Aber sind das wirklich alles so klar definierte Einheiten, von denen ich glaube, dass ich sie brauche und deshalb in sie investieren muss? Wer in etwas investiert, der weiß in der Regel, was er bekommt. Was ist, wenn das, was ich anvisiere keine klar definierte Einheit ist? Wenn ich nicht wissen kann, wie viel Zeit ich investieren muss, wann was fertig sein sollte usw.? Was wäre, wenn ich meine Projekte nicht von einem fertigen Bild her denke, das ich umsetzen will, sondern von einem konkreten Bedürfnis danach, etwas in der Welt zu verändern. Was wäre, wenn ich es nicht als meine Aufgabe sehe, das fertige Bild genauso umzusetzen, sondern wenn ich es als meine Aufgabe sehe, auf die Energie bzw. das Bedürfnis hinter dem Veränderungswunsch zu achten? Die Aufgabe ist dann, immer wieder innezuhalten und abzuspüren, wie es dem Veränderungswunsch geht und was er als nächstes braucht. Das kann natürlich auch mal eine feste Verabredung mit dem Projekt sein, muss es aber nicht. Ein Blick auf den Projektrahmen. Ein kurzer Anruf. Ein paar aufgeschriebene Notizen. Hierbei werden einzigartige Wege freigelegt, einem Projekt nachzugehen. Dieser Mensch behandelt sich nicht als Arbeitsmittel für eine Idee, sondern als Schöpfer:in. Die Tätigkeit des Innehaltens und Abspürens ist schöpferische Arbeit.

Jannik Howind, Witten Juni 2022

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