Ein Traum und Wut auf Technik

Inspiriert durch eine Schreibübung, die ich hier gefunden habe: schreibsuchti.de

#5 Erzähle nicht, zeige: „Hör auf, Gefühle zu beschreiben. Beschreibe lieber, was passiert – die Gefühle ergeben sich daraus.

Aufgabe: Ersetze folgende erzählte Zustände mit „show“:

  • Er war müde.
  • Er war wütend.
  • Sie war glückllich.“

1: Vor dem Fenster bewegte sich sanft der Kran eines Baggers. Nur leise hörte er das Klacken der Schaufel, wenn sie auf etwas Hartes stieß. Mehrere Männer standen auf der braun-grauen Fläche, die mittlerweile angrenzend an seinen Vorgarten freigelegt war. Ein junger Bauarbeiter lehnte sich gelassen an die Straßenlaterne und drehte mit unheimlich langsamen Bewegungen eine Kippe. Ein älterer Mann mit grauen Haaren, den er als den Bauherren zu entziffern glaubte, begutachtete in der Hocke den Boden. Er nahm dabei verschieden große Steine und Kiesel in die Hand und riss Unkraut heraus. Kraftvoll in einem Ruck, jeder Griff sich seines Zieles bewusst. Während er abwechselnd das Treiben des Bauherrens, des Baggers und des jungen Mannes beobachtete, wurde sein Atem allmählich schwerer. Seine Arme entspannten sich und die Hände legten sich locker in seinen Schoß. Der Lärm von draußen war nur noch ein Rauschen, über das sich Bilder von einem Sandstrand schoben. Eine verlassene Küste erschien vor seinem inneren Auge und da war er selbst zusammen mit Maria. An einen Felsblock angelehnt kommen sie an einem jungen Mann vorbei. Er beachtet sie nicht. Sein Blick ist gerichtet auf die Zigarette, die er sich gerade gemütlich dreht. Als nächstes sind sie beide knietief im Meer, das in gleichmäßigen Bewegungen an ihren nackten Beinen entlangstreicht…

 

2: Es ist 11:26. Benni liegt schräg auf der Couch. Er schaut auf seinem Smartphone ein Youtube-Video über den Sieg von Real Madrid in der Champions League. Eigentlich wollte er um 10:00 anfangen ein Essay für den Politikkurs zu schreiben. Es war aber einfacher sich erstmal auf die Couch zu legen und da lag er nun. Sein Körper in einem angespannt, aber ermatteten Modus. Bewegt hat er sich heute noch nicht, wenn man die kurzen Schritte von Bett zum Bad dann in die Küche und von der Küche auf das Sofa nicht mitzählte. Seit einer halben Stunde sagt er sich innerlich: Nur noch ein Video, danach ist Schluss. Seine Disziplinlosigkeit stört ihn gewaltig. Allgemein lässt er sich in seinen Augen zu sehr gehen. Franz sitzt jeden Morgen schon um 8:00 in der Uni. Marlene geht joggen und Carl morgens im kalten Fluss schwimmen. Was stimmte nicht mit ihm? Wieso sitzt er schon wieder einfach nur auf dem Sofa rum? Seine Hand verkrampft sich um sein Handy. So fest hält er es gerade. Am liebsten hätte er es gegen die Wand geschmissen. Aber natürlich konnte er es nicht. Seine ganzen Fotos, die mühevoll zusammengestellte Musikbibliothek… und überhaupt brauchte er sein Smartphone ja im Alltag. Als Bahnticket, als Check-In bei Veranstaltungen, als Bezahlmittel, um etwas nachzuschauen… Aber kann es nicht auch alles anders gehen? Er wollte nicht mehr, vielleicht, ja sicher war er abhängig von dem Ding, aber er konnte immer noch etwas tun. Plötzlich steht er im Flur mit einem Hammer in der Hand. Er sucht sich eine helle Ecke in seinem Zimmer und eine Holzplatte. Dann legt er das Handy drauf. Kurz kommt ihm der Impuls das Ganze mit seinem Smartphone zu filmen. Er muss lachen. Das Lachen wird unterbrochen von dem kraftvollen Schlag, mit dem das Display zerspringt. Mit dem zweiten Schwung trifft er direkt die Kameralinse. Er setzt direkt noch einmal nach, so sehr hat ihn die letzten Jahre dieses runde Glubschauge gestört. Überall, wo er mittlerweile hinging, starrt es ihn an. Mit jedem Schlag steigt die Erkenntnis, wie sehr er darunter gelitten hatte. Zum Teufel mit all der Effizienz. „Sie können jetzt noch einfacher bargeldlos bezahlen“, „nutzen Sie unseren Komfort Check-In“, „Scannen Sie für die Anmeldung den QR-Code“… Und wenn man nicht wollte? Er hatte es satt, er hatte die Kontaktlosigkeit dieser schönen neuen Welt satt, all die aufgestaute Wut, all die aufgestauten Gedanken, mit denen er sich selbst die Schuld gab, seinen Umgang mit dem Smartphone nicht unter Kontrolle zu haben, lässt er mit jedem Schlag raus. Die Teile im ganzen Raum verteilt, versucht er verzweifelt noch die größeren Stücke zu erwischen, die auf dem Holzbrett liegen.

 

3: Für diesen Satz habe ich mir bisher noch nicht die Zeit genommen. Schreibt gerne euren Text zu dem Satz „sie war glücklich“ als Kommentar.

Jannik Howind, Witten Juni 2022

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