No Time to Die

No Time to Die (2021)                                                          

Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge

Regie: Cary Joji Fukunaga

 

Irgendwie werde ich mit dem Film nicht warm. Die Action wirkt oft austauschbar, selbst wenn die Setgestaltung und die Orte wunderbar aussehen. Wenn ich den Film in einem Satz beschreiben müsste, dann wäre es wohl dieser: „No Time to Die“ testet Grenzen aus. Er testet die Grenzen dessen aus, was Bond ist oder eben nicht ist. Über das Ergebnis dieser Strapazierung des Gewohnten wird natürlich gestritten werden. Für mich war es die Erkenntnis, dass „No Time to Die“ oft nicht Bond ist.

Mut ist an sich lobenswert. Wenn Mut aber dazu führt, dass Grundlagen nicht mehr beachtet werden, dann untergräbt das quasi von vornherein den möglichen Erfolg. Im Fall von Bond ist eine dieser Grundlagen der Antagonist. Im neuen Film gespielt von Rami Malek wirkt der Bösewicht ziemlich blass. Er erscheint langweilig und unglaubwürdig. Die gelieferte Erklärung für seine Motivation dafür, die halbe Welt umzubringen, ist viel zu dünn. Abgesehen davon hat man nie das Gefühl, dass er in den Kopf von Bond kommt. Während Le Chiffre in Casino Royale für mich ein Höhepunkt in der Geschichte von Bond-Bösewichten darstellt, weil der Kampf von der physikalisch-technischen Ebene – wer hat die größten Kanonen und besten Pläne – auf die psychologische Ebene verlagert wird. Bond lernt in seiner Auseinandersetzung mit Le Chiffre etwas über sich selbst, weil sich beide genau anschauen und versuchen mental zu brechen. Aber um den Bösewicht geht es bei dem neuen Bond sowieso nicht. Es geht noch mehr als in den vier Craig Filmen zuvor um Bond selbst. Das muss, wie gesagt, nicht schlecht sein, wird es aber, wenn neben der Grundlage des Bösewichts auch die Grundlage, ein stimmiges Charakternetz aufzubauen, vernachlässigt wird. Im neuen Bond werden Figuren vielversprechend eingeführt, nur um sie dann zu ignorieren. Und es werden moralische Fragen angebrochen, nur um dann nicht mehr auf sie einzugehen. Darf ein Staatssicherheits-Dienst eine Waffe entwickeln, die es ihm ermöglichen würde, die Kollateralschäden zu minimieren, weil gezielt nur noch die „richtigen“ Leute umgebracht werden? Aber wie entscheidet sich, wer diese richtigen Menschen sind? Oder man hätte die internationalen politischen Konflikte beleuchten können, die Bond und der MI6 immer wieder auslöst, weil er über Ländergrenzen hinaus die Welt retten will.

Nein, in „No Time to Die“ geht es um Bond. Aber es geht nicht um Bond als Romanfigur und als Figur, die über 24 Filme eine Historie und einen Mythos aufgebaut hat. Es geht um Bond als Spiegel momentaner gesellschaftlicher Entwicklungen, die Männerbilder hinterfragt. Auch das muss an sich nicht schlecht sein, wenn die Figur genutzt wird, um sich auf eine Weise, die zu ihrer Historie passt, mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Aber genau das passiert nicht. Der Film versucht es, allen recht zu machen und man merkt ihm diese Überforderung und die Tatsache, dass vier Autor*innen – darunter zwei Neulinge im Bond-Universum – am Drehbuch mitgewirkt haben, an.

So bleibt ein Film, der seine Momente hat und der tolle Bilder und Effekte kreiert. Die Fragestellung, kann Bond lieben und geliebt werden, ist allerdings omnipräsent. Alles was passiert, kann als ihr untergeordnet betrachtet werden. Der Anfang, der erstmal die eine Antwort gibt, das Ende, das die andere Antwort gibt und das Dazwischen, das nur zum Ende hinführt.

Die Künstlerin darf nicht darauf hören, was die Gesellschaft von ihr erwartet, sondern nur darauf, was das zu schaffende Kunstwerk vor ihren Augen von ihr verlangt.

Der Film „No Time to Die“ ist ein bruchstückhaftes Kunstwerk. Kein Film für die Ewigkeit, sondern ein Film für einen Kinobesuch, um sich selbst ein Bild von ihm zu machen.

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