Anstrengung und Stille

Die Verplanungsgeschwindigkeit der kapitalistischen Gesellschaft ist ja bekannt. Angefangen mit der Verplanung von Afrika über die Verplanung der Ressourcen der Welt bis hin zu geplanten Wachstums- und Armutsschrumpfungsprognosen. Das geht alles ganz schnell und wer auf der richtigen Seite der Geschichte steht, für den sieht es auch ganz rosig aus. Irgendwie plant sich dem Planer schon immer alles zurecht. Der Klimawandel ist eine große Herausforderung aber nichts, mit dem man nicht planen könnte. In der Zeitung steht: „Bremsen fürs Klima“ oder „Verzichten auf Fleisch im Veganuary“. Versteckt zeigt sich hinter diesen Sätzen die Krankheit im Denken unserer Gesellschaft. Wer noch nicht losgefahren ist, kann doch gar nicht bremsen, wer etwas noch gar nicht produziert hat, kann doch gar nicht darauf verzichten. Jeden Tag könnten wir die Produktions- und Konsummaschinen, zu denen unsere Körper verkommen sind, weniger in Betrieb nehmen. Aber das hat nichts mit Bremsen, sondern mit gar nicht erst Beschleunigen zu tun.

Mit rosanen Grüßen stellen wir fest, die Beschleunigung als unverrückbare Ausgangslinie akzeptiert zu haben. Dabei ist sie künstlich und immer wieder aufs Neue eine Anstrengung. Es ist anstrengend, das Gaspedal noch weiter durchzudrücken. Es ist anstrengend, noch mehr Fleisch herzustellen. Es ist anstrengend, noch mehr Veranstaltungen abzuhalten. Nur nehmen wir diese Anstrengung nicht als Anstrengung wahr. Die Stille wird stattdessen als Anstrengung empfunden. Sie ist, was wir gewönnen, wenn wir uns nicht so sehr anstrengen würden.

Zum Unglück schreit der Klimawandel: Ich will, dass ihr Panik habt, strengt euch noch mehr an, sonst ist es bald zu spät. Ein Unglück, weil die Krankheit hinter dem Verhalten, dass zum menschengemachten Klimawandel führt, eine der Überanstrengung ist. Wie befreiend wäre es, wieder mit der Anstrengung und der Stille in Berührung zu kommen? Wer sich zu lange nur anstrengt, verliert die Stille und damit das Gefühl, gehalten zu werden. Wer nur stillsitzt, verliert die Anstrengung und damit das Gefühl, mitzutragen.

Jannik Howind, Zwischen Berlin und Hannover 09.03.2023

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