Poor Things

Poor Things (2023)
Regie: Giorgos Lanthimos
Drehbuch: Tony McNamara

Explizit. Gehirn. Wille. Sex und God.
Godwin, Wissenschaftler, Sohn eines schrägen Anatomisten und Besitzer eines Frankenstein-Gesichts, pflanzt das noch intakte Gehirn des ungeborenen Babys in die gerade verstorbene Mutter. Durch Fischaugen-Kameras gefilmt wird die Villa Godwins zum Spielplatz Bella Baxters, dem neugeborenen Bewusstsein im erwachsenen Körper, den ihr Emma Stone von Kopf bis Fuß überragend und voller Inbrunst und Blöße verleiht. Eine fesselnde bis ins Detail beeindruckende Performance. Das Einzige, was sie übertraf, waren die Szenen mit Mark Ruffalo. Er stößt als Anwalt auf Bella, verliebt sich in sie und will ihr die Welt zeigen. Die Rolle ist für ihn untypisch laut und groß in seinen Bewegungen, aber er macht es fantastisch. Das schräge Paar sorgt für die lustigsten Momente im Film. Situationskomik, phantasievolle Ästhetik, 19. Jh., verstörende Chirurgie, weibliche Lust, Abgründe der feinen Gesellschaft. Giorgos Lanthimos balanciert mehrere Genres auf einem Niveau wie Bong-Joon-Ho mit Parasite oder die Daniels mit Everything Everywhere all At Once, nur das bei Poor Things auch die Grenzen von Theater und Kino verschwimmen. Die Realitätstreue der Sets wird zugunsten einer Einfachheit und eines starken sinnlich, farblichen Eindrucks reduziert wie bei Ölgemälden eines William Turner oder eines Monet. Aber auch surrealistische Bilder à la Dali bewegen sich über die Leinwand. In Akten und Bühnenbildern voranschreitend zeichnet sich der Film wie das Theater durch eine eindrückliche Symbol- und Dialogsprache aus. Dennoch nutzt er alle Vorzüge des Films, den Schnitt, den Fokus und die Musik, um eine Erfahrung zu kreieren, die kontrovers und Grenzen entlangschreitend ist. Der Film hat mich aufgeladen und in kurzweiliger Manier über die gesamte Dauer am Limit gehalten. Bella Bexter ist kein zimperlicher Charakter. Sie strotzt nur so vor Selbstbestimmung, Neugierde und Mut und begibt sich auf eine rasante Entdeckungsreise. Nur ein für mich abruptes Ende, das dieser Reise aber vielleicht auch nicht gerecht werden kann, und ein zwischenzeitlich meine Ohren bombardierender Soundtrack schwächen den Film ein Müh ab. A la fin on dit formidable.

Witten, 27.01.2024

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert