Über das Anfangen

Ich sitze und starre auf die weiße Wand vor mir. Leerer Blick. Gedanken rattern. Gesprächsfetzen fangen meine Aufmerksamkeit für kurze Augenblicke. Ich will, aber ich kann nicht. Was will ich? Anfangen. Eine Arbeit aufnehmen. Wie ein Wurm, der sich aus einer klebrigen Watte in den lockeren, glatten Sand zu winden versucht. Woher kommt dieser Widerstand? Bin ich einfach zu schwach oder liegt er in der Watte um mich herum oder an der Richtung, die ich eingeschlagen habe?

Etwas anzufangen, heißt loszulassen. Den kleinen behaglichen Komfort verlassen, in dem ich mich gerade eingenistet habe. Den Gedanken zuzulassen, dass ich, wenn ich angefangen habe, nicht zurückkann in meine Höhle. Schon der kleine Schritt, mir die Arbeitsaufgabe genauer anzuschauen, wird mich verändern. Sobald ich etwas wirklich wahrnehme, findet Begegnung statt. Informationen werden empfangen und stoßen etwas in mir an. Bei der Arbeitsaufgabe kann ich plötzlich nicht mehr so tun, als wüsste ich nicht, was sich jemand von mir wünscht, oder ich kann nicht so tun, als fühlte ich nicht, dass die Pflanze auf meinem Fenstersims Wasser braucht, oder dass du gestresst bist und am liebsten einmal in meine Arme fallen willst. Es gibt ein Heilmittel für die Blockaden des Anfangens. Das Gegenteil von Informationsverweigerung. Hinschauen. Wahrnehmen und zulassen, dass etwas passiert. Informationsverweigerung ist ekelhafte Gemütlichkeit. Aber Informationsverweigerung ist auch Schutz. Schutz vor den Fluten der Veränderung, die die zarte Pflanze leicht mitreißen können. Und doch braucht die Pflanze das Wasser der Veränderung, um zu wachsen. Mein Blick wandert von der weißen Wand auf meinen Laptop. Ich schaue hin, lese die Beschreibung der Aufgabe, schreibe mir den Rahmen auf und fange an. Heute musste ich einen Text über das Anfangen schreiben, um hinschauen zu können. Was wird mir morgen helfen?

Jannik Howind, Witten Juli 2022

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