Über Führung in Begegnung
Meine Hand liegt sanft auf deiner. Du hebst meine Hand durch das Anheben deiner Hand langsam. Ich folge dir, als du sie zärtlich senkst. In einem unmittelbaren Augenblick wechseln die Hände ihre Position. Plötzlich liegt deine Hand warm in meiner. Ich führe deine Hand durch das Strecken meines Armes nach vorne. Hebe, senke sie, ziehe sie zurück. Du folgst aufmerksam, ohne dass in einem Moment die Verbindung abreißt. So tanzen wir dahin, bis unsere Körper müde werden und sich die Nacht des Vergessens und der Erholung zwischen sie schiebt.
Zwischenmenschliche Begegnungen haben dieses Element des Führens und Folgens, ob wir es bemerken oder nicht. Wir haben Spaß an diesem Spiel, wenn mit Selbstverständlichkeit zwischen den Rollen gewechselt wird. Mal ist der eine in der Führung mal der andere. Immer besteht eine gemeinsame Konzentration im und nur für diesen Moment. Alles kann passieren. Gemeinsam heben wir ab.
Unsicherheit entsteht, wenn für die Menschen, die an der Begegnung beteiligt sind, die Elemente des Führens und des Folgens unklar werden. Im Zweifel folgt ein Mensch dem, was er denkt, was die anderen Menschen um ihn herum, die Gesellschaft von ihm erwarten. Er führt, wenn er denkt, dass er führen sollte, und er folgt, wenn er denkt, dass er folgen sollte. Gemeinsam entsteht hier nichts. Wie eine alte Cessna, deren Motor stockt und mit der wir zwei versuchen, auf einer holprigen Piste unter starken Windböen abzuheben, fühlt sich diese Begegnung an. Es wird ein mutiger Sprung sein, aus jenem frustrierenden Traum herauszukommen, aber er kann jederzeit gelingen. Plötzlich liegt meine Hand sanft in deiner. Der Wind hat sich gelegt. Du führst meine Hand zu deiner anderen. Ich ergreife diese zärtlich. Wir sind wieder da.
Jannik Howind, Witten 08.02.2022