Good Time
Good Time (2017)
Drehbuch: Ronald Bronstein, Josh Safdie
Regie: Bennie & Josh Safdie
Mein Herz rast. Was war das denn gerade?
Wie ein Kick in die Magengrube nur um dann doch noch auf einer sanften, melancholischen Note zu landen. Mitreißend, packend und auch berührend ist Good Time ein Film der amerikanischen Regie-Brüder Joshua und Benjamin Safdie.
Während Joshua am Drehbuch mitgewirkt hat, spielt Benny selbst Nick, den kleineren der beiden Brüder, die im Mittelpunkt des Filmes stehen. Der Film beginnt mit einer Nahaufnahme auf Nick. Er sitzt in einer zunehmend emotionalen Sitzung mit seinem Therapeuten, aber bevor es zum Höhepunkt kommt, platzt sein großer Bruder Connie herein. Nick soll ihm das erste Mal bei einem Banküberfall helfen. Das Tempo, das der Film in diesem Moment aufnimmt, wird bis zum Ende gehalten. Der Banküberfall scheint zu glücken, nur um dann doch in einer hektischen Verfolgung zu enden, bei der Nick geschnappt wird. Immer bevor es zum Höhepunkt kommt, geht das Geschehen in eine andere Richtung weiter. Und das auf eine Weise, die nie konstruiert wirkt. In der neueren Filmgeschichte fällt mir hier als erstes Martin McDonough ein, dem dies auf ebenso geniale Weise gelingt. Dessen Drehbuch für Three Billboards outside Ebbing, Missouri erhielt immerhin eine Oscarnominierung. Nur, dass sich Good Time weniger um Fragen der Moral dreht, als um eine Charakterstudie verschiedenster Menschen, allen voran der beiden Brüder, die gegensätzlicher nicht sein können. Da ist der in sich gekehrte, emotional traumatisierte Nick und neben ihm der extrovertierte, kreativ-chaotische aber mit einem unbestechlichen Witz agierende Connie. Der Gegensatz der beiden wird auf filmischer Ebene perfekt aufgegriffen, wenn auf Adrenalin geladene Szenen, in denen sich die Ereignisse überschlagen, ruhige Kamerafahrten folgen, bei denen der Zuschauer durchatmen kann. Und der Gegensatz wird weitergeführt durch den peitschenden elektronischen Score, der sich mehrmals vollends entfaltet, nur um dann komplett zu verstummen.
Insgesamt hält sich die Kamera und der Schnitt eher zurück und bildet einen angenehmen Gegenpol zu den aufregenden Geschehnissen. Ruhig aber überwiegend nah am Geschehen und den Personen gehalten, mit nicht zu kurzen, aber auch nicht zu langen Schnitten ebnet sie den Weg für den aufwühlenden Ritt mit Connie durch den New Yorker Stadtteil Queens. Dieser versucht die nötigen 10.000 $ aufzutreiben, um Nick aus dem Gefängnis rauszuholen. In den nächsten 24 Stunden begegnen wir mit ihm weiteren Charakteren, denen allesamt wie den Brüdern selbst eine Kindlichkeit anhaftet. Und das in dem Sinne, dass sie sich nicht in die erwachsene, durchstrukturierte Welt um sie herum einfügen und immer wieder ungewollt auffallen, weil sie sich und ihre Emotionen nicht verstecken können. Während sie auf diese eigentliche Überforderung verschieden reagieren, funktioniert erst durch sie die Geschichte, die, genauso wie Connie, eher versucht, irgendwie durchzukommen, als eine erfolgreiche Karriere aufzubauen. Connie wollte das Geld aus dem Banküberfall, um mit seiner Freundin Corey einen schönen Urlaub zu verbringen. In Good Time erwartet uns keine klassische Heldenreise und auch keine elaborierte Untersuchung einer tiefen philosophischen Frage, die mit einer klaren Message endet. Am Ende fragt man sich viel mehr, wie der Film dort gelandet ist. So mag dem Film thematisch eine gewisse Tiefe fehlen, die er aber auch gar nicht will oder braucht. Das Thema ist so tief wie es gleichzeitig auch leicht zugänglich ist. Es geht, um Menschen in einer sie überfordernden Welt, die „auch einmal etwas Gutes für jemanden tun wollen“. Wie es Corey in einem leicht zu überhörenden Nebensatz im Hintergrund selbst sagt. Nur, dass diese Menschen in ihrem impulsiven Streben danach immer wieder Grenzen überschreiten und sich dadurch die Ereignisse hochschaukeln.
So folgt Schlag auf Schlag in einem Film, der einem im wahrsten Sinne des Wortes den Atem raubt. Selten hat ein Film näher und echter eingefangen, wie sich das ungeschützte Leben, das Leben, wenn es nicht hinter gedankenlosen Tätigkeiten versteckt wird, anfühlt: Wie eine Achterbahnfahrt durch New York.