
Äußere Achtsamkeit zur Aufrechterhaltung einer Idee, die scheint
Der Omnibus für direkte Demokratie ist mit Beuys als soziales kunstwerk zu begreifen. Der weiße Bus mit goldenem Gürtel selbst präsentiert sich auf der Straße in klarer Form inhaltlich und der direkten Begegnung und Erfahrung mit ihm dienend. Wir Bandmitglieder präsentieren uns wachsam und kontaktfreudig ohne aufdringlich zu sein. Die Menschen müssen schon neugierig und wenigstens ein kleines bisschen mutig sein, damit ein ernsthaftes Gespräch entstehen kann. Die weißen Tische vor dem Omnibus sind genaustens platziert. Der hohe runde vor dem großen runden, hinteren Rad, der niedrige Runde vor einem Halbkreis aus vier weißen Stühlen mittig vor dem Schriftlaut „Volksabstimmung“. Sobald Menschen anfangen, Dinge rumliegen zu lassen, Stühle zu verrücken oder ähnliches, muss eingegriffen werden, wenn die Wirkung, der Schein, der eben nicht bloß Idee, sondern Erfahrung und sinnliche Einladung ist, nicht verkümmern soll. Äußere Achtsamkeit.
Der Omnibus ist kein Konsumobjekt. Menschen, die wie selbstverständlich besitzergreifend in ihn hineinstürmen, werden von uns zurechtgewiesen, in ihrem Tempo gedrosselt oder freundlich hinausgebeten, weil wir gerade nicht kontaktbereit sind.
Am und mit dem Omnibus kann ich lernen, was es heißt, auf seine Würde zu achten, die eben auch nicht bloß Idee, sondern Wirkung, Schein und sinnliche Erfahrung ist. Auf seine Würde zu achten, heißt mit Immanuel Kant, darauf zu achten, dass andere Menschen einen nicht als Mittel zum Zweck, sondern als Zweck an sich betrachten. Als Wesen, dessen freie Einladung und Entscheidung gegenüber anderen mit ihm zusammenzuwirken keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Geschenk ist. Gleiches gilt für meine Betrachtung anderer. Auch ich entwürdige mich, wenn ich andere nur als Mittel zum Zweck betrachte, bspw. um ihre Fördergelder oder Unterschrift für unsere Unternehmung einzuheimsen.
Was ich täglich durch mein Mit-Sein am Omnibus üben kann, ist die Aufrechterhaltung der menschlichen und nicht-menschlichen Würde, die Aufrechterhaltung dieser kunstvollen Wunder, die doch nicht Magie, sondern konkrete Aufmerksamkeit und wachsame Praxis sind. Die Würde des Omnibus ist von seinen menschlichen Mitgliedern abhängig, die ihn gestärkt losschicken und gegen Verkümmerung abgrenzen. Meine Würde liegt hingegen ganz in meiner Kraft, weil ich mich stärken kann, sei es durch Nahrung und Schlaf, weil ich mich in die Nähe von Menschen begeben kann, die mich sehen und unterstützen und weil ich mich aus eigener Kraft gegen Versuche, mich zu be-mitteln, wehren kann. Erst heute wurde ich gefragt, ob ich mich gegen die Chance, etwas zu gewinnen, für ein Werbevideo mit einer Silberkette ablichten lasse. Ich lehnte ab. Wenige Sekunden später kam ein am Omnibus Interessierter Mensch und die Situation mit der Silberkette war vergessen. Meine Würde und die Würde des Omnibus wurden einen weiteren Moment aufrechterhalten.